Einführung
Der 2. Weltkrieg endete am 8. Mai 1945. Blindgänger und weitere Kriegsaltlasten werden in Deutschland auch achtzig Jahre später an die fünftausend Mal pro Jahr gefunden. Sie werden entschärft oder kontrolliert gesprengt. Für die meisten Bürger*innen ist dies nur eine kleine Störung im Alltag. Für Betroffene, die evakuiert werden müssen, und Expert*innen, Verwalter*innen und Helfer*innen ist eine Entschärfung ein enormer Kraftaufwand. Die Planung und Durchführung ist vielschichtig und teuer. Sicherheit ist erstes Gebot und doch entsteht Unsicherheit durch Wissensunterschiede, Hierarchien, Kommunikationslücken und unterschiedliche Lebenswelten.
Waffen aus Vergangenheit und Gegenwart unschädlich zu machen ist eine kulturelle Leistung. Sie ist komplexer als Waffen zu erfinden: Statt zu töten und zu zerstören sollen Menschen und Infrastruktur geschützt und Umweltschäden behoben werden – auch noch Jahrzehnte nach einem Krieg.
Wer und was ist notwendig, um diese außergewöhnlichen Maßnahmen routiniert erscheinen zu lassen? Welche Erfahrungen fügen sich hier zusammen? Wie verarbeiten Menschen die Kriegsaltlasten, deren potenzielle Gefahr im Lauf der Zeit nicht geringer wird?
Überreste vergangener Kriege finden sich nicht nur in Deutschland. Kriegsaltlasten stören und gefährden den Alltag weltweit. Im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine entstehen in der Gegenwart riesige Verminungen zu Land und Wasser. Scharfe Streubomben, Granaten und Minenteppiche verbleiben aber überall, wo Menschen in Krieg geraten. Militärische Übungen und Krieg gehören insgesamt zu den größten Belastungen von Umwelt und Klima.
Kriegsaltlasten plagen uns, weil es uns nicht gelingt, Konflikte verhandelnd und schlichtend zu entschärfen. Kriegsaltlasten entstehen auch, weil Rüstungsindustrien profitable Komponenten im Gefüge industrieller Produktion sind. Seit mehr als einem Jahrhundert setzen sich Aktivist*innen für den Frieden ein. Ihr Ruf nach einem Miteinander ohne Krieg findet heute Verbündete unter Protestierenden gegen die Rüstungsindustrie. Auch diese Anstrengungen, Wege aus der Normalität von Kriegen zu pfaden, bleiben oft „ungesehen“.
Friedensverträge werden unterschrieben, aber einmal eingesetztes Kriegsgerät lässt die tödliche Gefahr fortleben. „Menschen sterben immer noch, die Bomben sind immer noch hier“, sagt eine Kampfmittelbeseitigerin in Laos: „Der Krieg ist nicht vorbei, nur der Papierkram wurde erledigt.“*